Zuwendungsvergaberecht

Wie sind COCOF- und Ermessensleitlinien der Zuwendungsgeber bei Rückforderungen einzuordnen?

von Michael Pilarski

Einer Vielzahl von Zuwendungsempfängern bereitet es in der Förderpraxis Schwierigkeiten, die COCOF- und Ermessensleitlinien von Zuwendungsgebern richtig einzuordnen. Insbesondere private Zuwendungsempfänger wissen zwar um die Existenz dieser Leitlinien, haben jedoch noch keine konkreten Vorstellungen, woran diese rechtlich anknüpfen bzw. welche Auswirkungen sie nach sich ziehen.

I. Das Zuwendungsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Zuwendungsbescheid des Zuwendungsgebers an den Zuwendungsempfänger begründet, der die Rechte und Pflichten samt Vergabeauflage rechtlich wirksam festgelegt. Dieser Zuwendungsbescheid, ob vorläufiger oder abschließender Natur, bildet die Grundlage für das Behaltendürfen der Fördermittel zumindest während des Bewilligungszeitraums. Werden durch den Zuwendungsgeber Vergabefehler im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergaben im Zuwendungsverhältnis festgestellt, die die zu fördernden Ausgaben betreffen, so benötigt der Zuwendungsgeber eine Rechtsgrundlage für die Beseitigung des ursprünglichen Bewilligungsbescheids, um den Grund für das Behaltendürfen der Zuwendung zu beseitigen.

Dies erfolgt entweder in Form eines Schlussbescheids beim vorläufigen Bewilligungsbescheid als Verwaltungsakt eigener Art oder durch einen Widerrufsbescheid gemäß § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 VwVfG bei einem abschließenden Bewilligungsbescheid. In beiden Fällen steht dem Zuwendungsgeber ein Ermessen zu. An genau dieser Stelle knüpfen die COCOF- und die Ermessensleitlinien an. Aber welchem Zweck dienen diese Leitlinien und welche Auswirkungen haben sie für den Zuwendungsempfänger?

Das Ermessen des Zuwendungsgebers hat dieser im behördlichen und gerichtlichen Verfahren fehlerfrei auszuüben, vgl. § 40 VwVfG, § 114 VwGO. Um bei einer Vielzahl von Förderfällen dieses Ermessens fehlerfrei auszuüben und gleichgelagerte Fälle nicht unterschiedlich, und ungleiche Fälle unterschiedlich zu behandeln, ist es zwingend erforderlich, Ermessenserwägungen einheitlich anzustellen. Solche Leitlinien stellen zwar in der Regel Innenrecht dar und verpflichten den Zuwendungsgeber, jedoch können sie über Art. 3 Abs. 1 GG eine ständige, zur Selbstbindung der Verwaltung führende Verwaltungspraxis im Rahmen einer mittelbaren Wirkung entstehen lassen, aus der sich letztendlich für den Zuwendungsempfänger sogar ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ergeben kann.

II. Sowohl die "nationalen" Ermessensleitlinien als auch die "europäischen" COCOF-Leitlinien betreffen die Kategorisierung von Vergabefehlern im Zuwendungsverhältnis.

Die Ermessensleitlinien enthalten in der Regel einen Katalog von "schweren" Vergabefehlern, die im Zuwendungsverhältnis in der Regel zum Ausschluss der betroffenen Ausgabeneinheit von der Förderung führen. Das bedeutet, die vergabewidrige Ausgabe wird mit ihrem gesamten Auftragswert von der Förderung ausgenommen. Sodann wird die Zuwendung entsprechend der Förderquote betragsmäßig reduziert. Großer Vorteil der nationalen Ermessensleitlinien ist und war die grundsätzlich enthaltene Härtefallregelung, die dazu führte, dass bei einer großen Zahl von Vergabefehlern eine Deckelungs-Regelung anwendbar war, wonach es lediglich zu einer Kürzung der Zuwendung von höchstens 20-25 Prozent gekommen ist, selbst wenn die Vergabeverstöße zusammengenommen zu einer mehr als 25%igen Kürzung geführt hätten. Dahinter steht der Gedanke, dass ein Projekt im Bundes- oder Landesinteresse durchgeführt wurde, das im Endeffekt trotz der Vergabefehler erfolgreich beendet wurde, sodass es unverhältnismäßig wäre, die komplette Zuwendung zu reduzieren.

Die COCOF-Leitlinien stellen einen Beschluss des EU-Kommission zur Festlegung der Leitlinien für die Festsetzung von Finanzkorrekturen dar, die bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auf von der EU im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung finanzierte Ausgaben anzuwenden sind. Sie dienen als Orientierungshilfe bei der Beurteilung von Vergabeverstößen und der Festsetzung entsprechender Finanzkorrekturen in ganz oder teilweise EU-finanzierten Fördervorhaben. Sie beinhalten einen Katalog der am häufigsten vorkommenden Vergabeverstöße in der EU, führen jedoch im Gegensatz zu den nationalen Ermessensleitlinien nicht zum vollständigen Ausschluss der betreffenden Ausgabeneinheit, sondern zu prozentualen Kürzungen entsprechend der Schwere des Vergabeverstoßes unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit. Diese sind gestaffelt in Sätze von 5, 10, 25 und 100 Prozent. Die COCOF-Leitlinien haben gegenüber den Ermessensleitlinien den Nachteil für Zuwendungsempfänger, dass eine Art Härtefallregelung nicht vorhanden ist, sodass Ausgaben und die Zuwendung bei den schwersten Vergabefehlern vollständig gekürzt werden können.

Bemerkenswert ist, was vielen Zuwendungsempfängern regelmäßig unbekannt ist, dass die COCOF-Leitlinien ausweislich ihrer Anwendungshinweise nicht nur für förmliche Vergabeverfahren in Zuwendungsverhältnissen, sondern sogar bei vereinfachten Verfahren anzuwenden sein können, wie man es z.B. aus der Pflicht zur Aufforderung von mindestens drei Angeboten von leistungsfähigen und fachkundigen Unternehmen kennt, wenn für diese aufgrund der Unterschreitung bestimmter Zuwendungssummen kein förmliches Vergaberecht gilt.

III. Diese Leitlinien helfen dem Zuwendungsgeber folglich die Schwere des Vergabefehlers unter Berücksichtigung der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit gemäß den Haushaltsordnungen zu bestimmen, sodass dann eine Ausgabe und Reduzierung der Zuwendung in der Regel im Ermessen intendiert ist. Das bedeutet nicht, dass dem Zuwendungsgeber ein Ermessen gar nicht zusteht. Das wäre ein Ermessensfehler in Form eines Ermessensausfalls. Das Ermessen muss durch den Zuwendungsgeber erkannt werden und ausgeübt werden. Die Regelannahme führt zwar bei schweren Vergabefehlern nach den Leitlinien zu einer Kürzung der Ausgaben. Es sind jedoch im Rahmen des Ermessens trotz dieser Regel atypische Umstände zu berücksichtigen, die zu Abweichungen von der Regel und somit dazu führen können, dass Ausgaben entgegen der Regel nicht gekürzt werden und die Zuwendung nicht reduziert wird. Wenn der Zuwendungsgeber also das Ermessen erkennt und es ausübt, jedoch atypische Gegebenheiten nicht in seine Erwägungen einbezieht, so kann ebenfalls ein Ermessensfehler in Form einer Ermessensüberschreitung vorliegen.

IV. Kommt im Ergebnis ein Zuwendungsgeber ermessensfehlerfrei dazu, dass ein schwerer Vergabefehler im Sinne der Ermessensleitlinien vorliegt, so wird er in der Regel die betroffenen Ausgaben kürzen und die Zuwendung entsprechend der Förderquote reduzieren. Nur dann, wenn der Zuwendungsgeber ermessensfehlerfrei zu dem Ergebnis kommt, dass ein Vergabefehler nicht schwer, sondern nur leicht wiegt, wird er die Ausgaben nicht von der Förderung ausschließen und die Zuwendung nicht reduzieren.

Zu beachten ist an dieser Stelle für den Zuwendungsempfänger, dass das Ermessen, selbst, wenn es der Zuwendungsgeber nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat, noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzt werden kann. Das bedeutet aber auch, dass das Ermessen nicht vollständig in der behördlichen Entscheidung gefehlt haben darf, sondern zumindest dem Grunde nach in ihr angelegt worden sein muss. Sogar in diesem Fall aber könnte der Zuwendungsempfänger bei Obsiegen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unter Umständen nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung haben und keinen Anspruch auf Auszahlung einer ganz konkreten Zuwendungssumme.

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