Zuwendungsvergaberecht

Rückforderung von Fördermitteln wegen Vergabeverstößen aufgrund der Nichtbeachtung von Präqualifizierungsvorgaben und des Vergabebeschleunigungserlasses, VG Köln, Urteil vom 03.03.2023 – Az. VG 16 K 2955/20

von Michael Pilarski

Eine höchst interessante Entscheidung hat das VG Köln, Urteil vom 03.03.2023, Az. 16 K 2955/20 getroffen.

Zuwendungsempfänger müssen mit Rückforderungsbescheiden nur dann rechnen, wenn sie gegen solche Vorgaben verstoßen haben, die auch wirksam zum Gegenstand des Zuwendungsverhältnisses gemacht worden sind.

Wenn Zuwendungsgeber gegenüber dem Zuwendungsempfänger weder im Zuwendungsbescheid noch in Nebenbestimmungen oder in anderer Weise mündlich oder schriftlich hinreichend bestimmt Vorgaben zur Einhaltung eines Präqualifizierungs- bzw. Vergabebeschleunigungserlasses gemacht haben, so können sie hierauf keinen rechtmäßigen Erstattungs- und Zinsbescheid hinsichtlich der bewilligten Fördermittel stützen.

I. Sachverhalt

Kläger und Beklagte streiten um die teilweise Rückforderung einer dem Kläger gewährten und ausgezahlten Zuwendung wegen vergaberechtlicher Verstöße bei einem Vergabeverfahren des Gewerks „Rohbau“.

Die Beklagte gab dem Kläger im Rahmen des Bewilligungsbescheids samt ANBest-P auf, die VOB/A 1. Abschnitt anzuwenden.

Weiterhin war sie der Ansicht, der Kläger hätte den Präqualifizierungserlass sowie den Vergabebeschleunigungserlasse einzuhalten. Diese gaben vor, dass die Eignung der aufzufordernden Unternehmen vor der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu prüfen war. Die Eignung sollte dadurch sichergestellt werden, dass nur Unternehmen aus der Präqualifizierungsliste aufzufordern waren.

Die bestehende Pflicht zur Einhaltung dieser Erlasse bestritt der Kläger. Der Kläger war der Auffassung, er habe die genannten Erlasse nicht anzuwenden, sodass er eine beschränkte Ausschreibung des Gewerks „Rohbau“ durchführte. Zur Angebotsabgabe forderte er entgegen den Erlassen sowohl Unternehmen aus der Präqualifizierungsliste als auch solche außerhalb der Liste auf, die Eigenerklärungen als Einzelnachweise für die Eignung des Unternehmens vorlegten. Bezuschlagt wurde ein Unternehmen, das nicht in der Präqualifizierungsliste zu finden war.

Im Rahmen des Verwendungsnachweises zum Abschluss der Förderung stellte die Beklagte beim Kläger die ihrer Ansicht nach begangenen Vergabeverstöße fest und hat dem Kläger hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger bekräftigte seine Ansicht, er habe eine beschränkte Ausschreibung durchführen und für die Eignung der Unternehmen auch außerhalb der Präqualifizierungsliste vorhandene Unternehmen per Einzelnachweis als geeignet auffordern dürfen.

Sodann erlies die Beklagte dennoch einen Erstattungs- und Zinsbescheid, gegen den der Kläger Widerspruch erhob. Die Beklagte wich nicht von ihrer Rechtsauffassung ab, sodass sie einen Widerspruchsbescheid erlies, gegen den der Kläger letztendlich Klage beim VG Köln erhob.

II. Entscheidung

Das VG sah die Klage als zulässig und begründet an. Der Erstattungs- und Zinsbescheid der Beklagten jeweils in Form des Widerspruchsbescheids seien rechtswidrig gewesen und würden den Kläger in seinen Rechten verletzen.

Die Klage sei als Anfechtungsklage statthaft und zulässig gewesen, da die Verpflichtungsklage hier nicht in Betracht gekommen sei, da der Kläger aufgrund der bereits bewilligten und vollständig ausgezahlten Zuwendung keine Erweiterung seiner subjektiven Ansprüche mit einer Verpflichtungsklage hätte verfolgen können, sondern sein Interesse lediglich in der Aufhebung des Erstattungs- und Zinsbescheid liege.

Das VG nahm an, es habe sich um einen so genannten vorläufigen Bewilligungsbescheid gehandelt, der in seiner Festlegung zukunftsoffen gestaltet gewesen sei, sodass es der Anwendung der §§ 48, 49 VwVfG nicht bedurft habe.

Im Hinblick auf die vorgeworfenen Vergabeverstöße in Form der Nichtbeachtung des Präqualifizierungs- und Vergabebeschleunigungserlasses kam es nach einer ausführlich begründeten Auslegung der Gesamtumständen des Zuwendungsbescheids zu dem Ergebnis, dass eine wirksame Verpflichtung des Klägers zur Einhaltung der Vorgaben der beiden Erlasse nicht bestanden habe.

Der vorläufige Zuwendungsbescheid samt ANBest-P habe die für den vorliegenden Fall relevante Pflicht zur Einhaltung der Regelungen der VOB/A statuiert. Das VG führte jedoch aus, dass von dieser Pflicht nicht die Beachtung der Erlasse umfasst gewesen sei, da diese nicht zu den Regelungen der VOB/A 1. Abschnitt zählen würden.

Auch aus anderen Textstellen des Zuwendungsbescheids oder der ANBest-P habe sich eine solche Pflicht zur Einhaltung der Vorgaben der Erlasse nicht ergeben.

Weiterhin habe die Ausnahmegenehmigung zur vorzeitigen Maßnahmen diese Pflicht nicht enthalten, weil sie nur auf die ANBest-P verwiesen habe, die wie oben ausgeführt, lediglich die VOB/A 1. Abschnitt in Bezug genommen habe.

Zuletzt konnte die Beklagte das Gericht auch nicht mit den Einwänden überzeugen, dass in der mündlichen Kommunikation oder schriftlichen Korrespondenz im Vorfeld der Bewilligung einer solche Verpflichtung zur Beachtung der Erlasse verbindlich festgelegt worden wäre.

1. Rechtliche Würdigung

Der zuwendungsempfängerfreundlichen Entscheidung des VG Köln ist zuzustimmen.

Die Ausführungen zur statthaften Klageart der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO sind in der konkreten Konstellation zutreffend. Dem Kläger ging es nach seinem Klagebegehren gemäß § 88 VwGO darum, den belastenden Erstattungs- und Zinsbescheid aufzuheben. Im hiesigen Fall hat es die Verpflichtungsklage, bei der die Abgrenzung von der Anfechtungsklage in förderrechtlichen Fällen vor den Verwaltungsgerichten nicht immer einfach ist, nicht als statthaft angesehen, weil der Kläger mit der Verpflichtungsklage keine subjektiven Rechten mehr hätte einklagen können, da er aufgrund des Zuwendungsbescheids bereits die maximale Fördersumme ausgezahlt bekommen hat und eine Erweiterung seiner subjektiven Rechtsposition daher nicht mehr möglich war.

Die entsprechende Anwendung des § 49a Abs. 1, 3 VwVfG hat das Gericht zutreffend angenommen, weil es dem Förderverhältnis aufgrund der zukunftsoffenen Festlegung einer nicht rückzahlbaren Zuwendung bis zu einer gewissen Zuwendungshöhe als Projektförderung im Rahmen einer Anteilsfinanzierung sowie dem Erfordernis einer Verwendungsnachweisprüfung einen vorläufigen Bewilligungsbescheid zugrunde gelegt hat.

Nicht gänzlich nachvollziehbar geht das VG in seinen Ausführungen und Formulierungen demgegenüber ausdrücklich lediglich auf den Rückerstattungs- und Zinsbescheid ein. Denn ein vorläufiger Bewilligungsbescheid mit der Verpflichtung zur Einhaltung des Vergaberechts wird grundsätzlich im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung durch den Schlussbescheid ersetzt, damit dem vorläufigen Behaltendürfen der Zuwendung erst die Grundlage entzogen wird und erst in der Folge ein Rückforderungs- und Zinsbescheid bei Vergabeverstößen ergehen kann. Erst mit Erlass des Schlussbescheids kann die Verjährungsfrist für den Erstattungsanspruch zu laufen beginnen. Im Ergebnis ist dem VG in der Sache jedoch dennoch zu folgen.

Das VG entschied in der Sache hinsichtlich der Vergabeverpflichtung verbunden mit dem vorgeworfenen Verstoß gegen die Vorgaben des Präqualifizierungs- und Vergabebeschleunigungserlasses, dass ein solcher Verstoß schon deshalb nicht vorliegen könne, weil die Vorgaben der Erlasse im Zuwendungsverhältnis keine Anwendung gefunden hätten; auch dies zu Recht.

Denn im Rahmen einer Auslegung des Bewilligungsbescheids, der Nebenbestimmungen sowie sämtlicher anderer Umstände im Zusammenhang mit den einzuhaltenden Vorgaben im Zuwendungsverhältnis, so auch des Präqualifizierungs- und Vergabebeschleunigungserlasses, kam es zu dem zutreffenden Ergebnis, dass der Kläger diese nicht hätte anwenden müssen, weil entsprechende Regelungen nicht hinreichend bestimmt waren und Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Zuwendungsgebers gehen würden. Zwar sind wie üblich die ANBest-P mit ihrer Ziffer 3.1 zur Vergabeverpflichtung zum Gegenstand des Zuwendungsbescheid gemacht worden, jedoch hat das VG zutreffend festgestellt, dass ein Präqualifizierungs- oder Vergabebeschleunigungserlass grundsätzlich nicht zur VOB/A gehöre, die allein für anwendbar erklärt worden sei. Andere Textstellen im Bescheid waren nach Ansicht des Gerichts richtigerweise lediglich als Hinweise zu verstehen, die keine Verpflichtungen darstellen, weil sie schon nicht auf eine Rechtsfolge gerichtet waren.

Nicht mehr thematisiert wurde, weil es hierauf nicht mehr ankam, die Frage, ob ein solcher Verstoß gegen die genannten Erlasse überhaupt einen schweren Verstoß im Sinne der regelmäßig anzutreffenden und angewendeten Ermessensleitlinien der Zuwendungsgeber darstellen kann. Konkret hat der Kläger als Zuwendungsempfänger nicht nur entsprechend den Erlassen präqualifizierte und damit geeignete Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert, sondern auch solche außerhalb der Liste, die ihre Eignung ebenfalls nachgewiesen haben, jedoch nur per Eigenerklärung. Das bedeutet, würde man die genannten Erlasse hinwegdenken, hätte der Kläger sich vergabekonform verhalten und gar keinen Vergabefehler begangen, weil das reine Vergaberecht Eigenklärungen vorzugsweise zulässt. Zwar ist zuzugestehen, dass der Kläger rein formal, nicht nur Unternehmen aus der Präqualifizierungsliste aufgefordert hat, die sich bereits durch den Eintrag als geeignete Unternehmen erwiesen, sondern auch solche, die ihre Eignung erst durch Einzelnachweise belegt haben. Im Ergebnis haben aber auch diese sich als geeignet erwiesen, sodass sie nach dem reinen Vergaberecht der Aufragnehmer durchaus hätte aufgefordert und bezuschlagt werden dürfen. Dem Zuwendungsempfänger nur aufgrund der Tatsache, dass ein Unternehmen den Nachweis durch einen Einzelnachweis statt durch den Eintrag in die Präqualifizierungsliste erbringt, einen Strick zu drehen, wenn er im Übrigen vollkommen vergabekonform gehandelt hat, erscheint nicht verhältnismäßig und als reine Formalie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass solche Regelungen als dem Zuwendungszweck dienende Auflage in den Zuwendungsbescheid aufgenommen werden, um an sich die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwendung der öffentlichen Mittel zu gewährleisten. Insoweit würde nicht verwundern, wenn Verwaltungsgerichte in ähnliches Konstellation die Annahme eines solchen „Fehlers“ als schwer als ermessensfehlerhaft ansehen würden.

2. Praxistipp

Soweit sich Zuwendungsgeber das öffentliche Vergaberecht als Instrument im Zuwendungsverhältnis zu Nutze machen wollen, um die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwendung der öffentlichen Mittel durch den Zuwendungsempfänger zu gewährleisten, dann müssen Sie zwingend darauf achten, die entsprechenden Vergabepflichten wie die VOB/A 1. Abschnitt bzw. Präqualifizierungs- oder andere erlasse durch Nebenbestimmungen wirksam, insbesondere hinreichend bestimmt, in das Zuwendungsverhältnis einzubeziehen.

Zuwendungsempfänger sollten, selbst wenn ihnen Vergabeverstöße von Seiten der Zuwendungsgeber vorgeworfen werden, zunächst genau prüfen, ob die Vergabepflichten überhaupt wirksam in das Zuwendungsverhältnis implementiert wurden und gegenüber dem Zuwendungsgeber eingehalten und dokumentiert werden müssen. Zudem sollte überprüft werden, ob die dem Zuwendungsempfänger vorgeworfenen Verstöße im Rahmen des Ermessens fehlerfrei als „schwere Verstöße“ qualifiziert worden sind, die eine Rückforderung rechtfertigen.

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