Zuwendungsvergaberecht

Richtlinie zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen (Rückforderungsrichtlinie – RZVR) in Bayern

von Michael Pilarski

In Bayern ist eine aktualisierte Richtlinie zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen (Rückforderungsrichtlinie – RZVR) im Ministerialblatt vom 10.03.2021 mit Wirkung zum 01.03.2021 bekanntgemacht worden.

Sie regelt unter Ziffer 1 die grundsätzliche Beachtung der Vergabevorschriften als Auflage im Zuwendungsverhältnis, unter Ziffer 2 das Verfahren bei Vergabeverstößen, unter Ziffer 3 eine Auflistung der schweren Vergabeverstöße sowie unter Ziffer 4 das Inkrafttreten der neuen bzw. Außerkrafttreten der alten Richtlinie.

I. Um die Bedeutung der Richtlinie im Rahmen der Förderung einzuordnen: Richtlinien stellen als Verwaltungsvorschriften ihrer Natur nach Innenrecht dar und haben keine Außenwirkung. Sie binden grundsätzlich unmittelbar nur die Bewilligungsbehörde. Außenwirkung können die Richtlinien lediglich über die im Rahmen des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG geltende Selbstbindung der Verwaltung und ständige Verwaltungspraxis erlangen. Einfluss hat die Richtlinie im Zuwendungsverhältnis insbesondere auf die Ermessensausübung der Bewilligungsbehörde beim Widerruf und der Rückforderung der Fördermittel. Sie ist ermessenslenkend. Sie soll der Bewilligungsbehörde hinsichtlich der Vergabeauflage im Zuwendungsverhältnis ermöglichen, einheitlich zu beurteilen, ob ein Vergabeverstoß als "schwerer" Vergabeverstoß zum Ausschluss der Ausgabeneinheit führt oder aber als "leichter" Vergabeverstoß ohne Folgen bleibt.

Den Zuwendungsempfängern sollte eine solche ermessenslenkende Richtlinie bestenfalls ermöglichen, einzuschätzen, welche Vergabefehler sie teuer zu stehen kommen können und mit welcher Rückforderungshöhe sie konfrontiert werden könnten. Ermessenslenkende Richtlinien sollten dem Zuwendungsempfänger Rechtsklarheit geben. Das kann bei der Bayerischen Richtlinie, aber auch bei anderen entsprechenden Landesvorschriften durchaus bezweifelt werden.

II. Nach Ansicht des Autors würden sich einem Zuwendungsempfänger einige Fragen stellen:

1. Es wird zunächst grundsätzlich darauf verwiesen, dass die ANBest-I, ANBest-P und ANBest-K jeweils Auflagen zur Einhaltung des Vergaberechts beinhalten und der Zuwendungsempfänger mit Widerrufen und Rückforderungen zu rechnen hat, falls er gegen diese Vorschriften verstößt. Auf etwaige ANBest-GK wird nicht verwiesen. Das mag daran liegen, dass die ANBest-GK grundsätzlich in ihren Ziffern keine Vergabeverpflichtung vorsehen, sondern diese bei Förderung von Gebietskörperschaften in den Bescheiden zu finden ist. Ein Gleichlauf wäre unter Umständen wünschenswert. Denn die unterschiedliche Gestaltung der drei genannten ANBest und der ANBest-GK erschließt sich nicht, zumindest nicht aus dem Grunde, dass Gebietskörperschaften öffentliche Auftraggeber sind und diese ohnehin das öffentliche Vergaberecht per se anzuwenden haben, denn diese Ansicht würde verkennen, dass im Zuwendungsverhältnis gegenüber dem Zuwendungsgeber keine Verpflichtung seitens der Gebietskörperschaften ohne eigene Auflage besteht. Unabhängig davon stellt sich aber die Frage, ob die Richtlinie dann gegenüber Gebietskörperschaften nicht gelten soll. Sollte die Anwendung im Rahmen der Ermessensausübung ständige Verwaltungspraxis sein, sollte dies jedoch unproblematisch sein.

2. Ein wenig auf den ersten Blick irreführend ist die Einleitung der Ziffer 2.1, in der gesagt wird, dass "bei allen Vergabeverstößen die feststellbaren vermeidbaren Mehrausgaben wegen Nichtbeachtung des Vergaberechts aus der Förderung herauszunehmen sind". Diese seien in dem Fall nicht notwendig und daher nicht zuwendungsfähig. Hier wird ein in der Förderung und den Rechtsfolgen bei Vergabeverstößen sehr interessanter Punkt angesprochen: namentlich die finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Vergabeverstöße auf den staatlichen Haushalt. Die Verwaltungspraxis geht aber dahin, was von Seiten der Zuwendungsempfänger regelmäßig kritisiert wird und Gegenstand vieler Rechtsstreitigkeiten ist, dass Vergabefehler selbst dann sanktioniert werden, wenn nicht feststellbar ist, dass sie zu vermeidbaren Mehrausgaben geführt haben. Man geht quasi von hypothetischer Unwirtschaftlichkeit aus. Tatsächlich kann meist weder der Zuwendungsgeber noch der Zuwendungsempfänger darlegen bzw. nachweisen, dass sich ein Vergabeverstoß (nicht) ausgewirkt hat.

Auf den zweiten Blick soll wohl die Abgrenzung dieser Ziffer 2.1 zu Ziffer 2.2 erfolgen. Denn in Ziffer 2.1 wird von "allen Vergabeverstößen", in Ziffer 2.2 von "schweren Vergabeverstößen" gesprochen. Kürzungen sollen also grundsätzlich erfolgen, unabhängig davon, ob ein "leichter" oder "schwerer" Vergabeverstoß vorliegt, wenn vermeidbare Mehrausgaben feststellbar sind.

3. Die Regelbeispiele in Ziffer 3 sollen dann gemäß Ziffer 2.2 auch bei nicht feststellbaren Mehrausgaben zu Widerrufen und Rückforderungen führen, weil eben "schwere" Vergabeverstöße" vorliegen. Hier gilt das bekannte Regel-Ausnahme-Verhältnis in Form des intendierten Ermessens, bei dessen Ausübung dennoch der konkrete Einzelfall durch den Zuwendungsgeber zu prüfen ist. Vorgesehen ist eine Härtefall-Regelung, die bei erheblicher Härte für den Zuwendungsempfänger eine Reduzierung von nur 20-25 Prozent der Gesamtzuwendung vorsieht, wobei von diesem Rahmen bei Vorliegen besonderer Gründe abgewichen werden kann. Hier bleibt, wie in vielen solcher ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften ein Geheimnis, wann solche "besonderen Gründe" gegeben sind und wie diese darzulegen und nachzuweisen sind.

4. Der Buchstabe a) unter Ziffer 3 spricht dann von einem schweren Vergabeverstoß, wenn Freihändige Vergaben oder Verhandlungsvergaben ohne Vorliegen der Voraussetzungen durchgeführt werden. Auch das ist nur auf den ersten Blick verwirrend, denn trotz Geltung der UVgO in Bayern und damit Einführung der Verhandlungsvergabe dürfte die Freihändige Vergabe wohl wegen der Geltung der VOB/A genannt werden müssen, sodass dies wohl ohne Auswirkungen bleiben dürfte.

5. Der Buchstabe b) dürfte systematisch fragwürdig sein. Zum einen hört sich die Regelung sehr absolut an, wenn sie festlegt, dass eine lokale Begrenzung des Bieterkreises eine ungerechtfertigte Einschränkung des Wettbewerbs ist. Denn es kann durchaus, auch wenn es nicht die Regel ist, entsprechende vergabekonforme Gestaltungen geben, die eine Begrenzung, weil es der Leistungsgegenstand sachlich rechtfertigt, zulassen.

Warum dann zum anderen für die Begehung der Vergabeverstöße Verschuldensformen wie Vorsatz und Fahrlässigkeit ins Spiel gebracht werden, leuchtet nicht so recht ein. Auf der einen Seite wird das gesamte Vergaberecht als Instrument zum Gegenstand der Förderung aufgrund der Auflage gemacht, das einen rein objektiven Maßstab anlegt. Auf der anderen Seite wird im Ermessen eine subjektive Komponente in Form des Vertretenmüssens eingeführt. Aus Sicht der Zuwendungsempfänger ist diese Einführung von Vorsatz und Fahrlässigkeit für die Qualifizierung als "schwerer" Vergabeverstoß natürlich gut, weil sie Diskussionsspielraum bei Widerrufen und Rückforderungen bietet. Wenn aber nach dem Wortlaut ein Zuwendungsempfänger, aus welchen Gründen auch immer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht außer Acht gelassen hat, sondern sich pflichtgemäß und sorgfaltsgemäß verhalten hat, als er den Vergabeverstoß begangen hat, dann kann dieser Verstoß nicht als "schwerer" Vergabeverstoß qualifiziert werden. Darüber hinaus wird der Zuwendungsgeber, wenn er wegen Auflagenverstoßes widerrufen will, dem Zuwendungsempfänger diesen darlegen und nachweisen müssen. Wie er das bewerkstelligen will und den Vorsatz oder die Fahrlässigkeit als innere Tatsachen darlegen und nachweisen möchte, wird ein Praxisproblem bleiben. Zuwendungsempfänger haben an dieser Stelle jedenfalls Angriffsfläche.

6. Ebenso wenig einleuchtend und eine ähnliche Problematik ist die Regelung in Buchstabe c), wonach ein "schwerer" Vergabeverstoß vorliegt, wenn eine "grob vergaberechtswidrige Wertung vorliegt". Wie eine Abgrenzung in der Praxis an dieser Stelle möglich sein soll, ist nicht ersichtlich. Wann ist eine Wertung leicht, unerheblich oder nur fein auf der einen und "grob vergaberechtswidrig" auf der anderen Seite?

7. Darüber hinaus stellt auch die Regelung unter Buchstabe d) auf den Vorsatz ab, der den Zuwendungsgebern aufgrund oben genannter Argumente praktische Probleme bereiten wird, was die Zuwendungsempfänger wiederum zu ihren Gunsten aufgreifen können.

8. Die Festlegung unter Buchstabe e) spricht von Generalübernehmern. Ob Generalunternehmer oder Totalübernehmen gleich behandelt werden sollen, ist nicht erkennbar.

9. Die Regelung unter Buchstabe f) versteht sich in der Förderung bei entsprechender Auflage von selbst.

10. Eine Ausnahme gilt bei Verwendung von EU-Mitteln. Hier sollen weder 2.1 noch 2.2 oder 2.3 gelten, sondern die Ziffer 2.4, die auf die sogenannten COCOF-Leitlinien verweist, die bei bestimmten aufgelisteten Vergabeverstößen prozentuale Kürzungen nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten vorsehen.

III. Fazit ist, dass solche Richtlinie für die Qualifizierung von Vergabeverstößen, die zu einer Kürzung der Zuwendung führen sollen, zwar den Zuwendungsgebern ermessenslenkend zur Seite stehen und unter Umständen eine Einheitlichkeit der Verwaltungspraxis gewährleisten, jedoch regelmäßig umso mehr Rechtsunsicherheit für die insbesondere unerfahrenen Zuwendungsempfänger bedeuten. Der Bezug in Ziffer 2.1, der bei allen Vergabeverstößen auf die "feststellbaren, vermeidbaren Mehrausgaben" abzielt, dürfte zu einer zuwendungsempfänger- und damit förderfreundlicheren Praxis beim Einsatz von Fördermitteln führen.

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