Zuwendungsvergaberecht

"Nachträglicher" VzM trotz Klage gegen Ablehnungsbescheid - VG Bremen, Urteil vom 19.05.2022 – Az. 5 K 2674/20

von Michael Pilarski

Ein praktisch sehr interessantes Urteil hat das VG Bremen am 19.05.2022 zu der Ablehnung einer Förderung bei vorzeitigem Maßnahmebeginn gefällt.

I. Die Beteiligten stritten über die Gewährung einer Förderung für eine Dachsanierung nach der Förderrichtlinie "Wärmeschutz im Wohngebäudebestand". Der Kläger beantragte bei der Beklagten eine Zuwendung für die Dachsanierung zwecks Vergrößerung/Verdickung der Dämmung des Dachs eines Gebäudes. Der Förderantrag wurde von der Beklagten abgelehnt, weil die durch den Kläger beabsichtigte Größe/Dicke der Dämmung zum einen entsprechend der Förderrichtlinie vermeintlich nicht erreicht worden sei, da der Kläger auf eine bereits vorhandene Dämmung "aufgesetzt habe". Zum anderen habe es sich nach Ansicht der Zuwendungsgeberin nicht um eine nachhaltige Art von Dämmstoffen gehandelt, weil sie nicht über bestimmte vorgegebene Siegel verfügt hätten.

Der gegen den Ablehnungsbescheid erhobene Widerspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen erhob der Kläger sodann Klage vor dem VG Bremen. Trotz des dem Kläger zugegangenen Ablehnungsbescheids, des Widerspruchs sowie der Verpflichtungsklage setzte der Kläger das Vorhaben um, da er der Ansicht war, ein Zuwarten bis zu einem möglichen Erfolg seiner Klage sei ihm nicht zumutbar.

II. Die Verpflichtungsklage hat das VG Bremen als unbegründet abgewiesen.

1. Zunächst führte das VG grundlegend aus, dass ein Anspruch auf Förderung sich weder von Gesetzes wegen noch aus der streitgegenständlichen Richtlinie selbst ergebe. Verwaltungsvorschriften wie die Richtlinie würden eine anspruchsbegründende Außenwirkung im Verhältnis der Verwaltung zum Bürger nur vermittels des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 und Art. 28 GG) verankerten Gebots des Vertrauensschutzes begründen. Entscheidend sei die tatsächliche ständige Verwaltungspraxis der zuständigen Behörde im maßgeblichen Zeitpunkt, soweit sie vom Urheber der Verwaltungsvorschrift gebilligt oder doch geduldet werde, und in welchem Umfang die Behörde infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden sei; nur insoweit sei der Wille des Vorschriftengebers durch Auslegung zu ermitteln.

2. Bezogen auf den konkreten Fall sah das VG keine willkürliche Behandlung durch die ständige Verwaltungspraxis der Beklagten, da der Staat bei der Gewährung von freiwilligen Leistungen einen großen Spielraum habe, der nicht überschritten worden sei.

Insbesondere hat das VG zudem keine Bedenken gehabt, soweit die Beklagte eine Förderung für bereits begonnene oder gar beendete Maßnahmen nicht gewähre, wenn die Beklagte nicht ihre Zustimmung hierzu erteile. Lehrbuchartig führte das VG in dieser Hinsicht zu dem Sinn und Zweck des Verbots des vorzeitigen Maßnahmebeginns aus:

"Der Staat hat bei der Gewährung von freiwilligen Leistungen einen großen Spielraum; er darf seine Leistungen, jedoch nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen (BVerwG, Urt. v. 14.03.2018 - 10 C 1.17 -, juris Rn. 18). Hieran gemessen ist der Ausschluss bereits begonnener Maßnahmen sachlich begründbar. Der Ausschluss von bereits begonnenen Maßnahmen - unabhängig davon, ob das Vorhaben förderungsfähig und -würdig ist - ist in vielen Subventionsvorschriften vorhanden. Es soll insbesondere die Entscheidungsfreiheit und die haushaltsrechtliche Verantwortlichkeit der Bewilligungsbehörde schützen, deren Einwirkungsmöglichkeiten auf die Maßnahme sichern und unnötige Bewilligungen vermeiden. Die Zuwendung soll nur für den Fall gewährt werden, dass ihr Empfänger die geplante Maßnahme ohne die beantragte Zuwendung mangels finanzieller Mittel gar nicht durchgeführt hätte, die Maßnahme aber als förderwürdig eingestuft wird. Die Zuwendung soll also im Allgemeininteresse einen Anreiz zur Durchführung einer Maßnahme und zu privaten Investitionen schaffen. Demgegenüber ist es nicht Sinn und Zweck der Zuwendung, solche Maßnahmen zu fördern, zu deren Ausführung und Finanzierung sich der Antragsteller ohnehin entschlossen hat oder auch ohne staatliche Hilfe in der Lage ist. Letzteres zeigt sich gerade darin, wenn schon vor der Zusage der Zuwendung mit der Maßnahme begonnen wird (vgl. etwa NdsOVG, Urt. v. 19.05.2015 - 8 LB 92/14 -, juris Rn. 35 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; jünger auch OVG Sachsen, Urt. v. 18.12.2020 - 6 A 1244/18 -, juris Rn. 30). Vor dem Hintergrund dieser „Anreizfunktion“ der Förderung bestehen seitens des Einzelrichters keine rechtlichen Bedenken gegen den Ausschluss von bereits begonnenen Vorhaben, zumal sogar die Möglichkeit besteht, mit Einverständnis der Beklagten vorzeitig mit dem Vorhaben zu beginnen (Ziffer 4.1.2. Satz 4 der Richtlinie)."

3. Der Kläger drang auch nicht mit seinem Einwand durch, ein Zuwarten auf die behördliche Entscheidung sei ihm aufgrund der endgültigen und ernsthaften Verweigerung der Förderung unzumutbar gewesen. Nach Ansicht des VG habe der Kläger durch den Vorhabenbeginn unwiderleglich gezeigt, dass es bei einem Vorhaben des Anreizes durch die Förderung der Beklagten nicht bedurft habe. Solche "Mitnahmeeffekte" für ohnehin durchgeführte Maßnahmen sollten jedoch gerade verhindert werden. Überdies hat er auch nicht von der laut Richtlinie möglichen Zustimmung zum ausnahmsweisen vorzeitigen Maßnahmebeginn seitens der Beklagten Gebrauch gemacht.

4. Das Gericht hat den Kläger auch nicht mit dem Argument gehört, schon aufgrund der geringen Höhe der Förderung sei die Verwirklichung von förderfähigen Vorhaben stets auch ohne Förderung möglich. Auch wenn die Förderung im Einzelfall nur wenige Prozent der Gesamtkosten ausmachen sollte, sei es gerade Zweck der Förderung, einen zumindest zusätzlichen Anreiz für Wärmeschutzmaßnahmen zu setzen. Es sei auch nicht abwegig, dass durch eine solche Förderung - ggf. im Zusammenspiel mit anderen Förderprogrammen - ein solcher Anreiz gesetzt werde, da etwaige finanzielle Hemmnisse für solche Maßnahmen - insbesondere für Privatpersonen - jedenfalls verkleinert würden.

5. Zuletzt, das ist der wohl interessanteste Aspekt der Entscheidung, dürfe die beklagte Zuwendungsgeberin sich nach Ansicht des VG auf den vorzeitigen Maßnahmebeginn stützen, obwohl dies ursprünglich nicht der Grund der Ablehnung gewesen und die Förderung aus anderen Gründen abgelehnt worden sei.

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung der Fördervoraussetzungen und der Förderfähigkeit einer Maßnahme richte sich nach dem materiellen Recht, das durch die Richtlinie und deren ständige Anwendungspraxis durch die Beklagte vorgegeben werde. Die Richtlinie erkläre - jedenfalls in Bezug auf die „generellen Voraussetzungen“ - ausdrücklich den Zugang des Bewilligungsbescheids für maßgeblich. Diese Formulierung („vor Zugang des Bewilligungsbescheids“) decke nach Auffassung des Gerichts auch den hiesigen Fall ab, dass mit dem Vorhaben nach Ablehnung der Förderung begonnen werde, die betroffene Person also in (bloßer) Hoffnung auf eine stattgebende Entscheidung der Widerspruchsbehörde oder des Gerichts mit dem Vorhaben beginne. Da der Kläger einen Bewilligungsbescheid nicht erhalten habe, komme es mithin - wie bei Verpflichtungsklagen regelmäßig der Fall - auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts an. Wenn demnach auf den auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts abzustellen sei, so könne die Behörde auch noch ihre in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Ermessenserwägungen ergänzen und sich so auf eine veränderte Sachlage einstellen. Vor diesem Hintergrund komme es auf die Frage, ob die ursprüngliche Ablehnung des Förderantrags nach den obigen Maßstäben willkürlich gewesen sei, gar nicht an.

III. Die hiesige Entscheidung des VG Bremen zeigt, wie formell das Vorliegen eines vorzeitigen Maßnahmebeginns in der Förder- und Gerichtspraxis gehandhabt wird. Selbst, wenn es auf eine gewisse Art nachvollziehbar erscheint, dass der abgelehnte Antragsteller im Falle des Widerspruchsverfahrens/verwaltungsgerichtlichen Klage mit der Umsetzung beginnt, weil er der Ansicht ist, ein Zuwarten sei ihm unzumutbar und die Hoffnung hegt, die Zuwendungsgeberin werde verurteilt, so ist dringend von einem solchen Vorgehen abzuraten. Denn es droht der Verlust der Fördermittel und die Bestätigung der Ablehnung. So musste das Gericht in der Sache über die unter Umständen übrigen willkürlichen Vorgaben der Zuwendungsgeberin gar nicht entscheiden, weil die vorzeitige Vorhabenumsetzung trotz Widerspruch und Klage für die Ablehnung "nachträglich" für die Behörde als Begründung ausreichte.

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