Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages zur Realisierung von Erstattungsansprüchen bei der Zuwendungsförderung
von Michael Pilarski
Der Wissenschaftliche Dienst (WD) des Deutschen Bundestages (Haushalt und Finanzen) hat sich unter dem Az. WD 4 - 3000 - 019/19 mit Einzelfragen zur Rückforderung von Zuwendungen beschäftigt.
I. Dazu hat er mit Datum vom 14.03.2019 eine abgeschlossene Arbeit in Form der Beantwortung folgender Fragen vorgelegt (Antwort des WD des Bundestages):
1. Kann ein Zuwendungsgeber auch nach deutlichem Verstreichen der in der oben genannten Verwaltungsvorschrift (VV BHO) festgelegten Prüffristen für Verwendungsnachweise noch legitim Rückforderungen an lokale Träger stellen?
2. Inwieweit haben die Fördermittelt ausschüttenden Bundesministerien rechtliche Handlungsoptionen gegenüber Zuwendungsgebern, die die Prüffristen nicht einhalten? Hätte ein Bundeministerium beispielsweise eine rechtliche Handhabe gegenüber einem Zuwendungsgeber, um auf Kulanz zu drängen, sofern dieser nach einer deutlich verspäteten Verwendungsnachweisprüfung legitime Rückforderungen an einen lokalen Projektträger stellt?
Die Antwort des Wissenschaftlichen Dienstes verwundert in Teilen ein wenig.
Hinsichtlich der ersten Frage führt der WD aus, dass die in den einschlägigen Verwaltungsvorschriften zu § 44 Abs. 1 BHO festgelegten Fristen hinsichtlich der Prüfung von Verwendungsnachweisen eine verbindliche Dienstanweisung für den Zuwendungsgeber darstellen würden. Hierbei handele es sich nicht um eine Rechtsnorm, sondern um eine interne Vorschrift der Verwaltung, die keine Außenwirkung entfalte. Die Überschreitung der Prüfungsfristen durch den Zuwendungsgeber lasse daher den Rückforderungsanspruch gegen den Zuwendungsnehmer, etwa wegen zweckwidriger Mittelverwendung, unberührt.
Im Hinblick auf die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs komme grundsätzlich die Einrede der Verjährung durch den Zuwendungsnehmer in Betracht. Bei der Rückforderung von Zuwendungen handele es sich um öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts finde auf den Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist in entsprechender Anwendung des § 195 BGB n.F. Anwendung. Die Verjährungsfrist beginne nach § 199 Abs. 1 BGB am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt habe. Der Lauf dieser Frist setze nach der Klarstellung durch das Bundesverwaltungsgericht voraus, dass der Zuwendungsbescheid seine Wirkung verloren habe, sei es durch Rücknahme, Widerruf oder durch Eintritt einer auflösenden Bedingung; die bloße Vorlage der Verwendungsnachweise genüge nicht.
Hinsichtlich der zweiten Frage erläutert der WD, dass nach den Verfassungsgrundsätzen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die zuständigen Behörden grundsätzlich verpflichtet seien, die der öffentlichen Hand entstandenen Geldleistungsansprüche geltend zu machen. Ausnahmen hiervon würden einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könnten allerdings Abweichungen von den genannten Grundsätzen bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalles aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig sein, etwa dann, wenn die Rückforderung der Zuwendung zu einer unzumutbaren Belastung des Verpflichteten führen würde. In diesem Fall hätte die erstattungsberechtigte Stelle im Wege des Ermessens zu entscheiden, in welchem Umfang der Rückforderungsanspruch geltend gemacht werde bzw. welche Zahlungserleichterungen dem Verpflichteten etwa eingeräumt werden würden.
Gemäß § 34 Abs. 1 BHO seien bei Fälligkeit die dem Bund zustehenden Einnahmen vollständig zu erheben. Von diesem Grundsatz lasse § 59 BHO Ausnahmen zu und lege in Übereinstimmung mit § 31 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen fest, unter denen auf Gesetz, Vertrag oder sonstigem Rechtsgrund beruhende fällige Ansprüche des Bundes gestundet, niedergeschlagen oder erlassen werden dürften.
Auf solche Entscheidungen habe der Schuldner grundsätzlich keinen Rechtsanspruch, da es sich bei § 59 BHO um eine Vorschrift des Innenrechts der Verwaltung handele. Allerdings könnten sich bei einer Mehrzahl gleichgelagerter Fälle über den Gleichbehandlungsgrundsatz Ansprüche der Schuldner auf Entscheidungen nach § 59 BHO ergeben.
II. In Bezug auf die erste Frage ist zunächst verwunderlich, dass mit keinem Wort auf die Ausschlussfristen des § 48 Abs. 4 VwVfG eingegangen wird, die grundsätzlich sowohl für Rücknahmen als auch für die Widerruf aufgrund einer Verweisung Anwendung finden, die unmittelbaren Einfluss auf die Rückforderungen haben. Es wird erläutert, dass es in den Verwaltungsvorschriften zu § 44 BHO Prüffristen für die Bearbeitung der Verwendungsnachweise gebe, die verbindliche Anweisungen für die Zuwendungsgeber darstellen würden, die jedoch Innenrecht seien und keine Außenwirkung entfalten würden. In der Folge lasse die Überschreitung der Prüffristen etwaige Rückforderungsansprüche unberührt, sodass nur die Einrede der Verjährung in Betracht komme.
Zum einen trifft zwar zu, dass die Verwaltungsvorschriften zu den Haushaltsordnungen grundsätzlich Innenrecht ohne Außerwirkung darstellen, die die Zuwendungsgeber binden. Jedoch können auch diese bei entsprechender Verwaltungspraxis im Rahmen des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 GG in Verbindung mit der Selbstbindung der Verwaltung unter Umständen für den Zuwendungsempfänger im Zuwendungsverhältnis bindend werden. Bringt ein Zuwendungsgeber nämlich jahrelang in seiner Förderpraxis zum Ausdruck, dass er nach Verstreichen der Prüffristen für Verwendungsnachweise keine Aufhebung der Bewilligungsbescheide und Rückforderungen mehr generiert, dann kann sich ein Zuwendungsempfänger wegen Art. 3 GG und der Selbstbindung der Verwaltung durch die eigenen Verwaltungspraxis unter Umständen auf Gleichbehandlung berufen. Die Prüffristen lassen die Rückforderung daher nicht zwingend unberührt, zumindest nicht in der Pauschalität.
Zum anderen mag es zwar sein, wenn eine entsprechende Verwaltungspraxis nicht vorhanden ist, dass der Ablauf der Prüffristen selbst die Rückforderung unberührt lässt, verkannt wird vom WD jedoch, dass gleichzeitig die Jahresfrist des § 48 VwVfG als Ausschlussfrist läuft. Endet diese, dann sind Aufhebungen und Rückforderungen grundsätzlich vollkommen unabhängig von den Prüffristen unzulässig. Aus diesem Grunde sehen beispielsweise die Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO in Niedersachsen wie in anderen Bundesländern im Wortlaut bereits vor, dass die Prüfung "auch im Hinblick auf die Jahresfrist nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG" unverzüglich zu erfolgen hat. Das heißt, zumindest mittelbar haben die Prüffristen sicherlich Auswirkungen auf die Rückforderungen.
Des Weiteren wird die Problematik der vorläufigen Bewilligungsbescheide verkannt, obwohl der WD eine wichtige Entscheidung des BVerwG vom 15.03.2017 dazu zitiert. Der vorläufige Verwaltungsakt ist eine in der Rechtsprechung anerkannte Form des Verwaltungsaktes. Da zum Zeitpunkt der Bewilligung gewisse Umstände und Tatsachen noch nicht feststehen können, wird vorläufig durch den Zuwendungsgeber bewilligt, der sich vorbehält nach Beendigung des Vorhabens die Zuwendung endgültig und abschließend durch Schlussbescheid festzusetzen. Auf den vorläufigen Bewilligungsbescheid finden die §§ 48, 49 VwVfG keine Anwendung, sodass die Jahresfrist für die Aufhebung und Rückforderung nicht gilt. Die Befugnis ist eine Ersetzungsbefugnis und stellt ein Gestaltungsrecht dar. Gestaltungsrechte unterliegen aber nicht der regelmäßig Verjährung nach §§ 195 ff. BGB, da dieser nur Ansprüche unterfallen. Auch die dreijährige Verjährungsfrist gilt in der Regel daher nicht. Aus diesem Grunde findet für die Festsetzung per Schlussbescheid die im Zivil- und öffentlichen Recht längstmögliche Frist von 30 Jahren nach § 242 BGB Anwendung, wenn nicht vorher Verwirkung eintritt. Der Erstattungsanspruch nach § 49a VwVfG unterliegt zwar der dreijährigen Verjährungsfrist, kann aber erst beginnen, soweit die Grundlage für den Erstattungsanspruch, nämlich der vorläufige Bewilligungsbescheid beseitigt ist. Das ist aber nur dann der Fall, wenn ein Schlussbescheid erlassen ist. So kommt man im Ergebnis auf eine denkbare Gesamtfrist für die Erstattung von 33 Jahren.
In Bezug auf die zweite Frage wird aus ihr schon nicht ganz klar, was beantwortet werden soll. Eine "rechtliche Handhabe, um auf Kulanz zu drängen" dürfte aufgrund der in sich widersprüchlichen Formulierung der zweiten Frage bereits ausscheiden. Entweder gibt es eine rechtlich durchsetzbare Frist oder, wenn es diese nicht gibt, kann versucht werden, ein Ziel mittels Kulanz durchzusetzen. Beides ist in der Praxis kaum vorstellbar.
Weiterhin wird meiner Ansicht nach an der Frage vorbei geantwortet. Es wird mitgeteilt, dass fällige Erstattungen grundsätzlich zwingend einzuziehen seien und nur in Ausnahmefällen in Form von Stundungen, Niederschlagungen oder Erlassen davon abgesehen werden könne. Dies seien aber Ermessensentscheidung, allenfalls aus ständiger Verwaltungspraxis könne sich ein Anspruch auf Gleichberechtigung seitens der mit der Rückforderung konfrontierten Zuwendungsempfänger ergeben.
Ob nun die Bundesministerien eine rechtliche Handhabe in Form eines Zwangs zur Rückforderung bei Verstreichen der Prüffristen gegen Zuwendungsgeber haben, ergibt sich aus der Antwort nicht.
III. Fazit ist, dass die Zuwendungsgeber gut beraten sind, wenn sie zumindest bei nicht vorläufigen Bewilligungsbescheiden die Prüffristen nicht auf die leichte Schulter nehmen, weil parallel die Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG läuft und es nicht nur auf die Verjährung des § 195 ff. BGB ankommt. Lediglich bei vorläufigen Bewilligungsbescheiden und Zuwendungsverhältnissen mit EU-Fördermitteln können die kurzen nationalen Fristen durch die Überlagerung des EU-Rechts ausgehebelt und die Rückforderung länger geltend gemacht werden.